DZK-Projekt "Die Provenienz des Mainzer Buchbestandes aus der Kunsthistorischen Forschungsstätte Paris (1942-44)"

DZK-gefördertes Forschungsprojekt

Projektleitung: Prof. Dr. Elisabeth Oy-Marra
Projektmitarbeiter: Sabine Scherzinger M.A. und Julia Schmidt M.A.

Das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste in Magdeburg fördert ab 1. Januar 2017 zunächst für zwei Jahre, aktuell mit Verlängerung bis 30. Juni 2019, eine Provenienzrecherche zu einem Sonderbestand in der Universitätsbibliothek der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz unter der Leitung von Prof. Dr. Elisabeth Oy-Marra.

Ausgangspunkt des Projekts ist ein Bestand von 3.080 Büchern, die im Zuge der Neugründung der Johannes Gutenberg-Universität im Jahre 1946 aus den Beständen der Bibliothek der ehemaligen Kunsthistorischen Forschungsstätte Paris (KHF) (1942 – 1943) nach Mainz gelangt sind.

Die Gründung der Kunsthistorischen Forschungsstätte 1942, die ihren Sitz im ehemaligen konfiszierten tschechischen Kulturinstitut in der Rue Bonaparte 18 hatte, geht auf Betreiben des Bonner Ordinarius für Kunstgeschichte, Prof. Dr. Alfred Stange (1894-1968), und das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung zurück. Alfred Stange, der aufgrund seiner Mitgliedschaft in verschiedenen politischen und parteipolitischen Verbänden und Gremien, so auch als Hauptlektor für Kunstgeschichte des „Amt Schrifttumspflege“, über eine Schlüsselrolle im nationalsozialistischen Wissenschaftsbetrieb hinaus ein wichtiger Akteur in der NS-Kulturpolitik im Rheinland war, schlug Dr. Hermann Bunjes (1911-1945) als Direktor der KHF vor. Dieser war bis 1942 auf Anordnung der Reichskanzlei als Vertreter des Kunstschutzes der Militärverwaltung für den Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg (ERR) als verantwortlicher Referent in Paris tätig und verfügte über genaue Kenntnisse hinsichtlich der Aufbewahrungsorte von Kunstgegenständen und unterhielt zudem Kontakte zu allen am Kunstmarkt agierenden Personen. Des Weiteren betreute er die Ausstellungen konfiszierter Kunstwerke im Jeu de Paume und kümmerte sich um den Transport der Kunstwerke nach Deutschland. Darüber hinaus war Hermann Bunjes nachweislich, auch in seiner Zeit als Direktor der KHF, als Mittelsmann für Hermann Göring tätig, für den er Kunstwerke aus französischem Staatsbesitz „einzutauschen“ versuchte.

Der Mainzer Buchbestand aus der KHF umfasst deutsch- und französischsprachige Fachpublikationen sowie eine große Anzahl von Auktionskatalogen, die zwischen 1942 und 1944 von Bunjes, in Paris erworben beziehungsweise von Stange (1894-1968) in Deutschland „beschafft“ worden sind. Die im Vorfeld des Projekts durchgeführten Recherchen haben ergeben, dass es sich bei den Büchern vermutlich um NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut handelt.

Ziel des Projektes ist die Erforschung der 3.080 Bücher, die nach Titeln erfasst und systematisch auf ihre Provenienzen hin untersucht werden sollen. Der Sonderbuchbestand soll im Online-Katalog zur Kennzeichnung einen eigenen Schlüssel erhalten, problematische Provenienzen werden in der Datenbank Lost-Art eingestellt.

Darüber hinaus soll die Erforschung der Funktion der Bibliothek der KHF im Kontext des organisierten, verfolgungsbedingten Kunstraubes im Paris während der Okkupation geklärt werden. So resultiert der umfangreiche Bestand von Auktionskatalogen vermutlich aus den Bemühungen von Hermann Bunjes, die Auktionen in Paris im Zeitraum zwischen 1942 und 1944 zu kontrollieren und das Auktionshaus Hôtel Drouot und die Galerie Petit wieder zu eröffnen. Diese Aktivitäten wiederum stehen in direktem Bezug zu dem dokumentierten Austausch zwischen Hermann Bunjes und verschiedenen kulturpolitischen Akteuren des Rheinlandes, so dass von dem Projekt zum Buchbestand in Mainz auch Hinweise zu den Netzwerkaktivitäten und der Erwerbungspolitik rheinländischer Museen in den Jahren 1942 bis 1944 in Paris zu erwarten sind.

 

Literatur:

Sabine Scherzinger: Der Mainzer Bibliotheksbestand aus der Kunsthistorischen Forschungsstätte Paris. Klärung der Provenienz und Funktion des organisierten und verfolgungsbedingten Kunstraubes, in: Provenienz & Forschung, hrsg. vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste, Dresden 2017, S. 14-19.