Forschungsprojekt „Kulturtransfer in Architektur und Stadtplanung. Strasbourg 1830−1940“

Förderung durch das Gemeinschaftsprogramm "Geistes- und Sozialwissenschaften" der Agence Nationale de la Recherche und der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Laufzeit drei Jahre ab 2013.

Die ɉcole Nationale de l'Architecture de Strasbourg, die Université de Strasbourg, das KIT Karlsruhe, die JGU Mainz und die FH Mainz haben sich zu einem gemeinsamen Forschungsvorhaben verbunden. Das Ziel des Vorhabens ist, das Erscheinungsbild einer Stadt als Ergebnis von transnationalen Einflüssen zu untersuchen und dabei auf Städtebau und Architektur die Methoden der "histoire croisée" anzuwenden. Straßburg, seit Jahrhunderten ein Ort des Transfers zwischen der französischen und der deutschen Kultur, ist in diesem Sinne exemplarisch. Um die einzelnen Betrachtungsweisen zu kreuzen und gleichzeitig die Beziehung zwischen den Wissenschaftlern und den einzelnen Themen zu objektivieren, wurde eine Gruppe aus Historikern und Architekten beider Länder zusammengestellt, die breite Kenntnisse in den Bereichen Städtebau und Architektur des 19. und 20. Jahrhunderts, sowie Erfahrungen im Umgang mit deutschen, wie französischen, lokalen und nationalen Quellen mitbringen. Auf diese Weise sollen unterschiedliche Betrachtungsweisen und Methoden der Kunstgeschichte, der Geschichte und der Bauforschung zusammengeführt werden.

Die Zeit von 1830 bis 1940 wurde ausgewählt, weil in diesem Zeitraum einerseits die Entwicklung Straßburgs zur modernen Industriestadt stattfand, andererseits der viermalige Wechsel der Grenzen den Austausch zwischen den Nationen intensiviert hat. Hier gilt es, die Bedeutung des politischen Wandels für Architektur und Stadtplanung zu überprüfen. Die Arbeitshypothese lautet, dass die bisherige Einteilung der Stadt in "Altstadt", "Deutsche Stadterweiterung" und die Siedlungen der Zwischenkriegszeit an der Peripherie den Blick auf die Realität verstellt, in der Einflüsse von beiden Seiten des Rheins dauerhaft zusammengefunden haben. In die Untersuchung werden auch die Vororte Straßburgs einbezogen, die etwa gleichzeitig mit der Neustadt einen erheblichen Aufschwung genommen und im Kontrast zur Neustadt stehende Entwicklungen erlebt haben. Dasselbe gilt auch für die Neustrukturierung von Teilen der Innenstadt durch die "Grande Percée". Die Untersuchung soll zeigen, in welchem Maße Stadtplanung und Architektur ein Ergebnis materiellen, menschlichen und kulturellen Austauschs zwischen Deutschland und Frankreich sind. Während der französische Einfluss sich vorwiegend als Orientierung auf die Hauptstadt Paris artikuliert, ist für Deutschland im Untersuchungszeitraum zunehmend die Präsenz aller wichtigen Architekturzentren zu verzeichnen Das dritte Element dieser Mischung bildet die eigenständig elsässische Kultur, der besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden soll. Dabei geht es insbesondere um die Beziehungen zum südwestdeutschen und zum Schweizer Kulturraum.

Zur näheren Untersuchung vorgesehen sind bewusst nicht die Staatsbauten, sondern Gebäude von sozialer und religiöser Relevanz (Wohnbau, Sakralbau, Schulbau und Bauwerke der Sozialeinrichtungen), Baugattungen, die einerseits im Stadtbild sehr präsent sind und andererseits bisher noch wenig untersucht worden sind. Deren Entwicklung und Struktur, der Gestus ihrer Architektur, der städtebauliche Kontext wie auch die Biographien der Architekten und der verschiedenen am Bau Beteiligten werden die zentralen Themen darstellen. Schwerpunkte sind die Identifizierung der Gestaltmerkmale und Grundrissstrukturen unterschiedlicher Bautypen und -gattungen, deren städtebauliche Relevanz, deren rechtliche und politische Rahmenbedingungen sowie die biographischen Verflechtungen der Akteure.

Geplant sind Fallstudien zu Baugattungen unterschiedlichster Art und zu den am Bau Beteiligten, wie Auftraggeber, Architekten, Bauunternehmer, Handwerker aber auch der Sozialstruktur der Bewohner in den ausgewählten Bereichen. Die Sakralbauten und die kirchlichen Sozialeinrichtungen sowie die Schulbauten des Untersuchungszeitraums sollen alle, einschließlich der in den Vororten entstandenen, in die Studie einbezogen werden, wohingegen aus der großen Zahl der Wohnbauten ausgewählte Gebiete vertieft bearbeitet werden sollen..

Projektleitung in Straßburg: Prof. Dr. Anne-Marie Châtelet (ENSAS), in Karlsruhe Prof. Dr. Johann Josef Böker und Dr.-Ing. Christiane Weber M.A, in Mainz FH Prof. Emil Hädler.
Projektleitung in Mainz, JGU: apl. Prof. Dr. Wolfgang Brönner
Projektmitarbeiter in Mainz: Tobias Möllmer M.A.